T. Straumann: 1931. Debt, Crisis and the Rise of Hitler

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Titel
1931. Debt, Crisis and the Rise of Hitler.


Autor(en)
Straumann, Tobias
Erschienen
Oxford 2019: Oxford University Press
Anzahl Seiten
240 S.
von
Christopher Kopper

Die deutsche Bankenkrise von 1931 nimmt einen prominenten Platz in der finanzwirtschaftlichen und der bankenhistorischen Forschung über die Ursachen von Bankenkrisen ein. Ihr immer noch hoher Stellenwert für die ökonomische Forschung wird auch daran deutlich, dass sich bekannte Ökonomen unserer Zeit wie Isabel Schnabel (Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank) umfassend mit den Ursachen dieser Bankenkrise beschäftigt haben.

2019 veröffentlichte der Schweizer Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann die zu besprechende Studie, die erstmalig englischsprachigen Lesern eine allgemeinverständliche Geschichte dieser historischen Zäsur präsentiert. Er charakterisiert die Bankenkrise von 1931 als das dramatische Finale der gescheiterten alliierten Reparationspolitik, die durch das Haager-Abkommen (Young-Plan) von 1930 einen nur scheinbar gangbaren Weg beschritt. Während das Haager-Abkommen die nationale Souveränität des Deutschen Reiches über die Reichsbank und die Reichsbahn vollständig wiederherstellte sowie die vor allem psychologisch bedrückende Besetzung des Rheinlands durch französische Truppen früher als nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags beendete, erwies sich die finanzielle Entlastung Deutschlands aufgrund des zunehmenden Rückzugs kurzfristiger ausländischer Geldanlagen als unzureichend.

Straumanns Darstellung beeindruckt zum einen durch seine Multiperspektivität, die das Handeln der politischen Akteure in den Regierungen und Notenbanken aus der deutschen, der französischen, der britischen und der amerikanischen Perspektive ebenso anschaulich wie spannend vor den Lesern ausbreitet. Der Verfasser zeigt, dass der Bruch der letzten parlamentarischen Mehrheitsregierung im März 1930 den neuen Reichskanzler Hermann Brüning auf Gedeih und Verderb an die exekutiven Notverordnungsbefugnisse des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg kettete. Der Wahlerfolg der Nationalsozialisten in der Reichstagswahl 1930 führte zu umfangreichen Geldabzügen ausländischer Anleger, welche die bereits kritische Zahlungsbilanz des Deutschen Reiches weiter verschärften. So wie Brünings Aussenminister Curtius die französische Regierung durch den populistischen, aber diplomatisch sehr unsensiblen Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion unnötig verärgerte und einen möglichen französischen Kredit an das Reich verhinderte, schürte die zunehmend intensivere revisionistische Rhetorik der deutschen Rechten die nationalistische Intransigenz der politischen Elite Frankreichs.

Während die britische Regierung unter Ramsay McDonald den deutschen Wünschen nach einer grundlegenden Revision des Haager-Reparationsabkommen wohlwollend begegnete, verschloss sich die amerikanische Regierung aufgrund der beggar my neighbor-Politik des Kongresses jedem Verzicht auf die amerikanischen Forderungen an Frankreich, der eine deutliche Reduzierung der französischen Reparationsforderungen an Deutschland ermöglicht hätte.

Straumanns Darstellung überzeugt durch solide Quellen- und Literaturkenntnisse, ohne grundlegend neue Erkenntnisse über die (Vor‐)Geschichte der Bankenkrise von 1931 zu präsentieren. Finanzhistorisch interessierte Leser vermissen eine eingehende Beschäftigung mit den Thesen der umfangreichen Forschungsliteratur zur Bankenkrise, die von Historikern und von Ökonomen sowohl als Zahlungsbilanzkrise als auch als Strukturkrise der deutschen (Gross‐)Banken gedeutet wurde und wird. Straumann stellt die Ursachen der sich zuspitzenden deutschen Zahlungsbilanzkrise überzeugend und sehr allgemeinverständlich dar, aber geht über die strukturellen Ursachen der drohenden Grossbankenkonkurse im Juli 1931 weitgehend hinweg. Endogene Krisenursachen wie das Fehlen einer staatlichen Bankenaufsicht, die unzureichende Kontrolle der grossen Kreditschuldner durch die Manager der Grossbanken und die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmensleitungen und Aufsichtsräten werden nur en passant angesprochen, aber leider nicht eingehend analysiert. Obwohl das Buch nicht mit empirischem Datenmaterial geizt, werden die entscheidenden Bilanzkennziffern der Banken nicht berücksichtigt. Die Grafiken bleiben ohne eine Erläuterung des Autors, was etwa mit den «total reserves of the Reichsbank» (S. 86) gemeint ist, bleibt leider rätselhaft.

Insgesamt ist Straumanns Buch vor allem eine Geschichte der alliierten Reparationspolitik und der deutschen Revisionspolitik, aber nur in zweiter Linie eine Geschichte der Bankenkrise. Straumann zeigt höchst anschaulich, dass sich die finanzpolitischen Handlungsspielräume der Reichsregierung stetig verengten und der Primat der Revisionspolitik den Weg in die Zahlungsbilanzkrise noch beschleunigte. Brünings Intention, der Revision des Haager Abkommens alle anderen (wirtschafts)politischen Ziele unterzuordnen, hätte jedoch eine eingehendere Darstellung verdient

Zitierweise:
Kopper, Christopher: Rezension zu: Straumann, Tobias: 1931. Debt, Crisis and the Rise of Hitler, Oxford Press, 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (3), 2020, S. 498-500. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00071>.

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